Der FC Bayern und seine Juden by Dietrich Schulze-Marmeling

Der FC Bayern und seine Juden by Dietrich Schulze-Marmeling

Autor:Dietrich Schulze-Marmeling [Schulze-Marmeling, Dietrich]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783895337819
Herausgeber: Die Werkstatt GmbH
veröffentlicht: 2011-04-10T22:00:00+00:00


Kapitel 8

Kicken unterm Hakenkreuz

Im Jahr der nationalsozialistischen Machtübernahme spielt der FC Bayern noch drei hochkarätige internationale Begegnungen, zwei davon gegen die AS Rom. In der italienischen Hauptstadt unterliegen die Bayern am 15. Juni 1933 der Roma mit 3:4. Zwei Wochen danach kommen die Italiener zum Rückspiel an die Grünwalder Straße. Vor 14.000 Zuschauern gewinnen die Bayern mit 3:1, zwei Tore erzielt Oskar Rohr, der München bald verlassen wird.

In Italien herrschen schon seit 1922 Benito Mussolini und seine Faschisten. Doch noch ist es möglich, dass Bayerns Gästen, der AS Rom, seit sechs Jahren ein jüdischer Präsident vorsteht, der Bankier Renato Sacerdoti.

Die Assoziazione Sportiva Roma ist 1927 aus der Fusion der drei Hauptstadtvereine Alba Audace, Roman und Fortitudo Pro Roma hervorgegangen; nur Lazio konnte sich dem Zusammenschluss entziehen. Die Fusion ist eine Antwort auf die Dominanz der norditalienischen Vereine. Heimat der Roma ist das an der Ostseite des Tiber gelegene Arbeiter- und Schlachthofviertel Testaccio. 1929 entsteht dort auf Betreiben von AS-Präsident Sacerdoti, vom Volksmund »der Bankier von Testaccio« getauft, ein eigenes Stadion. Der Campo Testaccio bleibt bis 1940 Heimat der AS Rom.

Mussolinis totalitäre Politik lässt auch den Fußball nicht unberührt. Aber anders als die deutschen Gesinnungsbrüder wird der italienische Faschismus nicht von einem rassistischen Wunsch nach der Vernichtung der Juden getrieben. Ein Teil der italienischen Juden sympathisiert eine Zeit lang sogar mit Mussolini. Der »Duce« sieht in Hitlers rassistisch-biologistischem Antisemitismus zunächst eine Wiederkehr des von ihm bekämpften »Germanismus«. Allerdings wird Italiens »Judenpolitik« in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre eine einschneidende Veränderung erfahren.

Begegnung mit Ernst Willimowski

Zwischen den beiden Begegnungen mit der AS Rom gibt Ferencváros Budapest seine Visitenkarte in München ab und verliert 2:3 gegen die Bayern, für die erneut Oskar Rohr zweimal trifft. Nicht nur beim Budapester Lokalrivalen MTK, sondern auch bei den »grünen Adlern« haben einige Juden gespielt – so der spätere MTKler Gyula Feldmann, Alexander Neufeld und noch Anfang der 1920er Jahre Ernö Schwarz. Und auch unter den Funktionären des Klubs befindet sich eine Reihe von Juden. Ferencváros ist ein typischer Vorortverein. Seine Heimat ist die kleinbürgerlich und proletarisch geprägte »Franzstadt«, die zum Zeitpunkt der Klubgründung noch deutschsprachig war.

Fortan nimmt für den FC Bayern die Zahl internationaler Begegnungen ab. 1933 kommt noch eine Auswahl Chile/Peru nach München und wird mit 2:1 besiegt, 1934 spielt man erneut gegen die Prager »Judenklubs« DFC (4:1) und Slavia (3:3).

Im Dezember 1934 reisen die Bayern nach Polen. In Oberschlesien spielt und gewinnt man gegen Ruch Bismarckhütte (heute Ruch Chorzów) und Garbania Krakau. Garbania hatte 1931 die polnische Meisterschaft errungen, Ruch 1933 und 1934. Mitglied des 34er Meisterteams von Ruch ist der 18-jährige Ernst Willimowski, 1916 im oberschlesischen Kattowitz geboren, das seit 1922 zu Polen gehört. In den folgenden Jahren wird der Torjäger 22-mal für Polen spielen und dabei 21 Tore erzielen. So auch bei der WM 1938 in Frankreich, wo Willimowski einer von zwei Hauptdarstellern in einer der denkwürdigsten Begegnungen in der Geschichte des Weltturniers ist. Polen unterliegt Brasilien nach Verlängerung mit 5:6, Willimowski und der Brasilianer Leonidas schießen jeweils vier Tore.

Nach dem Einmarsch



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